Die Hitzewelle hatte uns diese Tage voll im Griff. Umso erstaunter war ich, als Manuela vorschlug, heute doch eine Runde zu machen. Allerdings mit dem Nachsatz „am Abend“. Ja, warum eigentlich nicht. Also machten wir uns im Webtool unseres Vertrauens auf die Suche nach einer geeigneten Route.
Unsere Parameter – unter 100 Höhenmetern und maximal etwa 5-7 Kilometer lang – boten uns bereits einige Möglichkeiten. Weitere Einschränkungen waren, ob den Temperaturen, möglichst eine Waldstrecke und nicht zu weit weg. Und mit der letzten Bedingung – Pause auf halber Strecke und wenn möglich mit einer Sehenswürdigkeit – bliebt schlussendlich nur mehr ein Ziel übrig: St. Emmerich.
Die Kirche, mit „Templon“ in der ungarischen Sprache betitelt, selbst, liegt bereits auf ungarischem Staatsgebiet. Aber unmittelbar an der Grenze zu Österreich. Das Areal des Anwesens erstreckt sich über beide Länder. Sie gilt auch als Leuchtturmprojekt zur Völkerverständigung zwischen den Ländern.
Ja, das Ziel gefiel uns. Und eine, unseren Parametern entsprechende, Route, mit Start in Inzenhof, war ebenso schnell abgesteckt. Route am Handy gespeichert und schon waren wir unterwegs in den beschaulichen Ort, wo ich ja erst vor knapp einer Woche eine Wanderung (Tour Nr. 235) gegangen war.
Bei der Kirche in Inzenhof war gleich ein schattiger Parkplatz für unseren Boliden gefunden. Tracker auf „On“, Trinkflaschengürtel (bei mir) und Rucksack (bei Manuela) umgeschnallt und los ging unsere Wanderung zum „Templon“.
Wir hatten uns dazu entschieden gleich zu Beginn die gröbste Steigung dieser Tour hinter uns zu bringen und zu gingen wir zunächst ansteigend, Richtung Tschanigraben. Nach etwa 0,6 Kilometern wandern wir auch schon an den ersten Highlights unserer Tour vorbei.
Zunächst ein kleines Rastplätzchen mit Trinkwasserspender. Kein wirkliches Highlight, aber ein schöner Platz zum Rasten. Doch dahinter verbirgt sich eine Art Kleinod. Ein kleiner, gepflegter Park mit verschiedenen Skulpturen und einen Teich mit Springbrunnen. Ein richtiger „Magic Place“. Der Dorfpark, wie meine nachträgliche Recherche im Web ergeben hatte.
Hier werden gleich mal viele Fotos gemacht und der Park in Evidenz gehalten. Hier waren wir sicher nicht das letzte Mal. Gefällt uns.
Gleich gegenüber vom Park befindet sich auch die Kirche von Tschanigraben. Natürlich ebenso Objekt meiner „Foto-Begierde“.
Und weiter geht unsere Wanderung. Hier biegen wir links rein und spazieren auf dem Feldweg, leicht bergab, aus dem Ort Tschanigraben hinaus. Grundsätzlich mit guter Laune, die nur durch die Temperaturen und einige „Bremsen“ getrübt wird. Ersteres wussten wir aber schon vorab und mit Letzteren ist im Sommer ja immer zu rechnen. Abgerundet wurde unser „Wohlfühlfaktor“ von ein paar Gelsen, die sichtlich auch ein Stück vom Kuchen haben wollten.
Nach etwa 1,5 Kilometer beginnt unser Weg wieder anzusteigen. Auch das wussten wir ja vorab und hatten die Route so gewählt, dass eben dieses, etwas Anstrengendere, Stück bereits im Wald liegt. Also Schritt für Schritt den Wald hinauf. Hier nun bei angenehmen Temperaturen und sowohl ohne Bremsen als auch Gelsen. Der Wald – unser „Retter“.
Aber leicht ist dieser Abschnitt nicht gerade. Bis zum Streckenkilometer 3,1 sind nun etwa auf 1,6 Kilometern Länge 50 Höhenmeter zu überwinden. Macht aber nichts. Heute sind sowohl Manuela als auch der Meinung, dass uns dieses Kalorienverbrennen, in Anbetracht unserer Kilos, absolut nicht schadet.
Und auch das hatten wir nach insgesamt 35 Minuten mit Bravour – und einigen gegenseitigen Sticheleien, die gehören ja dazu – geschafft.
„Das Foto veröffentlichst du aber nicht!“, mokierte Manuela.
„Wieso nicht?“, tat ich unschuldig wohl wissend, was nun kommt.
„Schau dir meine Wampe an!“, das musste ja kommen.
„Schau dir meine Wampe an!“, mein Konter.
„Ja, aber du bist ein Mann!“
„Ah und das heißt was?“
Die folgende, teils nicht jugendfreie, Konversation bleibt unser Geheimnis, aber wir haben am Ende beide darüber gelacht. Mitunter ist das ja auch unser Umgang mit anstrengenderen Streckenabschnitten. Immerhin besser als Sudern.
Nun führt unsere Route weitgehend ebenerdig weiter halbhoch durch den Wald. Rechts von uns geht’s bergauf, links bergab. Rechts verläuft bereits die Grenze. Links sehen wir durch die Bäume hinunter auf die, unten am Waldrand liegenden, Feuchtgebiete von Tschanigraben.
Ab und zu endet der dichtere Wald auch mal und gibt eine Lichtung preis. Und dann kommen die Grenzsteine. Jetzt sind wir beide direkt am Grenzverlauf unterwegs.
„Ungarn grüßt Österreich!“, sag ich lachend zu meiner Gefährtin, links neben mir.
„Wieso?!“
„Weil du grade in Österreich gehst, ich aber in Ungarn.“
„Ach? Das heißt wenn du zu mir rüber willst, musst du erst durch die Gesichtskontrolle?“
„Genau so ist es!“, und schon rennt der Schmäh wieder.
So wandern wir nun guter Dinge durch den Wald. Stetig bergab und schön schattig. Hin und wieder treffen wir auf kurzweilige Überraschungen. Wie zum Beispiel ein Verlassenes, schon ein wenig Verfallenes, Grenzhäuschen. Sieht aber eher aus wie ein typischer Marktstand.
„Ob hier Maroni gebraten wurden im Winter?“
Wohl eher nicht. Hier hing, vor langer Zeit, wenn dann wohl eher der Geruch von abgefeuerten Kugeln in der Luft, als von den schmackhaften gebratenen Kastanien. Oder wie wir Burgenländer dazu sagen „Käistn“. Aber vermutlich sind beides nur haltlose Spekulationen.
Und nach einer guten Stunde und 4 Streckenkilometern können wir durch die Bäume ein Dach hindurch blitzen sehen. Das war jetzt zwar noch nicht unser anvisierter „Templon“ aber bereits ein Gebäude auf österreichischer Seite, zum Komplex dazu gehörend. Wir waren angekommen.
Schon ein paar Meter später lichtete sich der Wald endgültig und zwischen den Bäumen wurde der Blick auf eine mächtige Kirche frei. Also wenn man das ungarische Wort „Templon“ mit dem deutschen Äquivalent „Tempel“ ersetzt, wird dieses imposante Konstrukt dem durchaus gerecht.
Wie eine Kathedrale erhebt sich das klerikale Bauwerk, mit seinem mächtigen Turm über die Baumwipfel hinweg. Ein erstaunliches Bauwerk, mitten im Wald. Quasi fernab jeglicher Zivilisation.
Die Pfarrkirche St. Emmerich, im ungarischen Felsőrönök (deutscher Name: Oberradling), gelegen, war bis zum Zweiten Weltkrieg eine zu Inzenhof und Tschanigraben gehörende Wallfahrtskirche. Im Krieg weitgehend zerschossen und abgebrannt verwitterte sie jahrzehntelang, bis 1990 dank vieler Spenden und eines ehrenamtlichen Vereins, mit ihrer Sanierung und Rekonstruktion begonnen wurde.
Heute erstrahlt sie wieder weitgehend im Glanz von gestern. Besonders der Innenraum ist toll und komplett renoviert. Neue bunte Fenster, neue Möbel und geschnitzte Dekorationen erwarten den Besucher hier drinnen. Besonders die geschnitzte Stilisierungen des Kreuzweges, die in nummerierten Schablonen an der Wand Hängen sind modern und sehenswert.
Einzig der untere Bereich des gesamten rundum verlaufenden Sockels ist bei unserem Besuch gerade vom Putz entledigt. Vermutlich wird das Gemäuer hier nachträglich trocken gelegt. Ein paar Gerüstteile, neben der Kirche im Gras liegend, bezeugen die nach wie vor im Gang befindlichen Arbeiten.
Uns gefällt es jedenfalls hier und wir kommen aus dem Staunen nicht heraus.
Allerdings sind wir hier heute auch nicht alleine. Eine ganze Gruppe Kinder, samt erwachsener Aufsichtspersonen (oder Erzieher, wie immer man dazu sagen möchte), haben auf dem Gelände ihr Ferien-Zeltlager aufgeschlagen. Nehmen aber kaum Notiz von uns und beschäftigen sich in kleinen Gruppen untereinander.
Nachdem wir das Gebäude umrundet hatten, die Denkmäler rundherum ebenso inspiziert und fotografiert hatten, machen wir nun mal Pause. Sitzgelegenheiten gibt es hier mehr als genug. Da die Rastmöglichkeiten, gleich neben der Kirche auf ungarischer Seite, von der Kinderschar okkupiert wurden, spazieren wir die 20 Meter zurück nach Österreich und lassen uns auf einer heimischen Bank nieder.
Auf dieser Seite des Areals ist auch ein weiterer Kreuzweg eingerichtet, in Form von steinernen Statuen, die sich am Rand eines Fußballplatz-großen Wegs verteilen. Daneben das kleine Haus, dessen Dach wir zuerst gesehen hatten. Das ist zwar abgeschlossen, aber ein Blick durch die Fenster verrät: Hier wird auch mal gefeiert auf den Biertischen und -bänken im Inneren.
Mittlerweile ist es 18:30 geworden, aber wir haben heute keinerlei Stress und genießen unsere Pause jetzt mal. Trinken einige Schlucke aus unseren Wasserflaschen. Unterhalten uns über dies und das. Richten die griesgrämig dreinschauenden „Erzieher“ der Kinderschar ein wenig aus. Machen eben das, was Österreicher mitunter so gerne tun: Sudern. Und lachen. Ja das auch.
Wir haben jedoch auch noch einen Weg retour zu bewältigen. Also fassen wir uns nach unserer Pause ein Herz und treten uns wechselseitig in unsere Allerwertesten. Auf geht’s. Rückweg antreten!
Wir verabschieden uns noch mit ein paar Fotos von St. Emmerich und marschieren den festen, breiten Schotterweg nach Inzenhof zurück, der hier, weitgehend flach bis abfallend und angenehm zu gehen, durch den Wald führt. Die Sonne steht bereits tiefer und taucht den Wald vor uns in teils güldenes Licht. Auch die Temperaturen haben sich von der Hitze des Tages verabschiedet und sind ein wenig zurückgegangen. Eine schöne Zeit zum Wandern.
Viel mehr gibt es über diesen Abschnitt auch nicht zu sagen. Vielleicht eines – auf diesem Weg kann man die St. Emmerichs Kirche auch mit dem PKW besuchen. Wer es bequemer mag. Aber dabei auch eine Runde durch den Wald wandern ist halt gesünder. Und macht mehr Spaß. Uns zumindest.
Bei Streckenkilometer 6 biegen wir rechts ab, über eine Brücke drüber. Hier durchqueren, auf einem festen Weg, die „Feuchtwiesen“. Links und rechts von uns liegt hier eine Mischung aus Sumpf und Feuchtgebieten. Durchaus so gewollt und geschützt. Eine letzte Bastion der Natur innerhalb der bewirtschafteten Flächen ringsum.
Am nächsten Querweg wieder nach links und bald sehen wir den Friedhof von Inzenhof. Wir sind jetzt wieder auf einem asphaltierten Güterweg unterwegs. Und schreiben Streckenkilometer 6,5, als wir am Friedhof vorbei wandern. Ein ziemlich großer Friedhof, für so einen beschaulichen Ort. Ob hier mehr sterben als sonst wo, fragen wir uns?!? Oder gibt es ach schon Besttatungstourismus? Etwa nach dem Motto:
Kommen sie nach Inzenhof, ihr Grabstein steht schon da!
Ja, das ist auch Teil von uns. Richtig tiefschwarzer, makaberer, englischer Humor. Und bitten den Leser an dieser Stelle um Verständnis und Nachsicht. Wir meinen es ja nicht böse. Nur makaber. Und humorvoll. Und tiefschwarz. Und …
Mit einem abwechslungsreichen Talk zu derartigen kurzweiligen Themen zu wandern – dabei vergeht die Zeit und Strecke ja auch viel schneller. Und ehe wir’s uns versehen sind wir ach schon wieder an der Straßenkreuzung angeklagt, an der wir zu Beginn unserer heutigen Tour nach Tschanigraben abgebogen waren.
„Ich setz mich jetzt auf die Bank hier“, informierte mich Manuela. Und weiter „Und du holst das Auto!“
„Zu Befehl Milady.“, was soll ich denn sonst drauf sagen.
Die Tour war ja doch 7 Kilometer lang gewesen, aber Manuela hatte durchgehalten und war wieder große Schritte zurück ins Leben gegangen. Und wir hatten beide Spaß. So soll es sein. Und schlussendlich: Wie wäre sonst das schöne Foto von Manuela auf der Bank entstanden.
So, jetzt hol ich das Auto und dann geht’s ab nach Hause. Oder doch noch auf einen Kaffee? Wir werden sehen. Schön war’s.


















































































